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28. Januar 2023

Hast du einen komplizierten Hund oder hat dein Hund einen komplizierten Menschen?

Hat dein Hund Spitznamen? Meine haben einige: Fridi, Fridchen, Fridolin, Mausi, Hase, Pelli, Pellito, kleiner Prinz…
Bei meiner Familie heißt es immer “Heute kommen M&M”. Die zwei M stehen dabei für “Monster” und “Mimi”. Auch wenn diese Spitznamen liebevoll und mit einem Zwinkern zu verstehen sind, so spiegeln sie doch in gewisser Weise eine Sicht von außen auf meine Hunde wider.
Pelle, die Mimi, ist in vielen Situationen vorsichtig und wirkt (gerade im Vergleich zu Frida) wohl häufig etwas wehleidig und dramatisch. 
Frida, das Monster, ist eher laut, kann mit der Erregung ziemlich schnell durch die Decke schießen und drückt deutlich aus, wen oder was sie nicht so gerne mag.

Klingt nach komplizierten Hunden? 
Vielleicht. Aber was genau ist eigentlich ein komplizierter Hund? Was bedeutet das für uns Menschen? Und wer bestimmt überhaupt, was kompliziert ist?

Inhalt des Blogartikels

Wer oder was ist überhaupt kompliziert?

Der Duden schreibt zur Bedeutung des Wortes “kompliziert”:
“schwierig; verwickelt; [aus vielen Einzelheiten bestehend und daher] schwer zu durchschauen und zu handhaben”

Klingt erstmal alles ziemlich negativ, oder? Einen schwierigen Hund zu begleiten, bedeutet häufig viel Aufwand für den Menschen. Schwierig ist eben nicht einfach. Etwas oder jemand, den oder das wir nicht direkt durchschauen können, verunsichert uns und schreckt uns vielleicht sogar ab. Mit einem Charakter, der aus vielen Einzelheiten besteht, umgehen zu können, gleicht einer großen Herausforderung. 

Und was ist jetzt ein komplizierter Hund?
Meistens wird von einem komplizierten Hund gesprochen, wenn er viele unerwünschte Verhaltensweisen zeigt und sich nicht problemlos in den Alltag und das Familienleben des Menschen einfügt. 
Wenn ich danach gehe, dann habe ich von außen betrachtet definitiv zwei sehr komplizierte Hunde.

Besonders Frida war und ist häufig eine große Herausforderung. Sie hat diverse gesundheitliche Baustellen, die uns bei allen Trainingsanstrengungen immer wieder ausbremsen und ihr und mir das Leben schwer machen. Sie kann seit einiger Zeit nicht mehr alleine zu Hause bleiben, da sie sonst großen Trennungsstress hat. Mitnehmen kann ich sie aber auch nicht so ohne weiteres, da sie auf fremde Hunde liebend gern verzichtet (schon blöd als Hundetrainerin, die tagtäglich mit Hunden arbeitet) und fremde Menschen auch nicht besonders prickelnd findet. Mein Leben wird also momentan um Frida herumgestrickt. Termine muss ich so planen, dass sie mit dem Terminkalender meiner Eltern übereinstimmen, zu denen ich Frida bringe, wenn ich länger weg bin (“M&M kommen heute”, meistens auch nur ein M). Die zusätzliche Fahrtzeit muss ich immer mit einberechnen. Kurze Termine kann ich ohne Absprachen wahrnehmen, da sie dank Trennungstraining mittlerweile wieder ein bis zwei Stunden allein sein kann. Allerdings muss ich vorher ein stark ritualisiertes und momentan noch ziemlich langes Programm abspulen, was ebenfalls Zeit kostet. Außerdem muss ich jederzeit damit rechnen, dass heute ein schlechter Tag ist und ich nichtmal aus der Tür gehen kann. Was macht man dann, wenn man eigentlich zum nächsten Einzeltraining müsste? Regelmäßige Pipi-Gänge muss ich ebenfalls fest einplanen, da Frida seit einiger Zeit leicht inkontinent ist und nicht mehr so lang anhalten kann. Nicht zu vergessen die Medikamente, die sie jeden Tag zu unterschiedlichen aber festen Zeiten bekommen muss – allein dafür muss jemand da sein, der sie ihr gibt. Aufgrund der Spondylose im Rücken, leichter Arthrose in den Ellbogen, Knieproblemen und ihrer Herzerkrankung ist sie auch nicht mehr so fit wie früher und möchte lieber mehrere kleine Runden drehen als ein, zwei große. Blöd nur, dass Pelle das strotzende Leben ist, liebend gern ein Abenteuer nach dem anderen erleben möchte und Frida während unserer längeren Spaziergänge nicht einfach alleine zu Hause bleiben kann. Die Liste könnte ich jetzt noch über zwei Seiten fortführen, aber du siehst, in welche Richtung es geht…

Doch ist Frida wirklich immer und für alle ein komplizierter Hund? Das Monster, das unberechenbar, schwierig und schwer zu handhaben ist?
Eine Begebenheit vor zwei Wochen hat mir gezeigt, dass es nicht so einfach ist – eben doch etwas komplizierter und eher eine Frage der Perspektive.

Alles eine Frage der Perspektive?

Vor zwei Wochen war ich mit meiner Freundin bei ihrer Familie in Thüringen und wir konnten Frida und Pelle aus unterschiedlichen Gründen nicht mitnehmen. Damit meine Eltern nicht ein ganzes Wochenende mit meinen zwei komplizierten Hunden verbringen mussten, habe ich meinen Bruder gebeten für die Zeit bei uns zu Hause einzuziehen und Frida zu betreuen. Ich habe Pelle also zu meinen Eltern gebracht und Frida ist zu Hause geblieben und hat das Wochenende mit meinem 17-jährigen Bruder verbracht. 

Zu einem komplizierten Hund gehört auch ein komplizierter Mensch. Daher habe ich Listen über Listen und eine Menge Erklärvideos erstellt, damit mein Bruder gut gerüstet für die Tage mit Frida war. Jedes kleine Detail, jede Uhrzeit und alle möglichen Orte habe ich schriftlich und auf Video festgehalten, damit wirklich nichts schief gehen kann. Ja, ich weiß – ein bisschen Helikopter-Mama-mäßig…
Das ganze Wochenende habe ich von den zweien nichts gehört. Wobei, mein Bruder hat sich einmal gemeldet um zu fragen, wie unser Ofen funktioniert. Aber nicht, wie befürchtet, um den Hund zu braten, sondern sich eine Pizza zu backen 😉
Und als ich dann am Sonntag schon etwas besorgt zurück nach Hause komme und meinen Bruder um einen Bericht bitte, erlebe ich eine kleine Überraschung:

“Es war total unkompliziert und hat alles super geklappt! Frida war richtig lieb und hat so gut wie gar nicht gebellt.” (Ihr lautes Organ habe ich in der Aufzählung oben unterschlagen).

Tja, was soll ich sagen? Frida, das Monster, war drei Tage ein lieber und unkomplizierter Hund!
Doch das war nicht so, weil ich einen Haufen Listen und Videos dagelassen habe. Die haben vielleicht schon ein bisschen geholfen und es ist nunmal wirklich wichtig, dass Frida ihre Medikamente zu gewissen Uhrzeiten bekommt. Aber viel wichtiger war, dass sie drei Tage lang wirklich alle Voraussetzungen hatte, die sie braucht um ein ausgeglichener Hund zu sein:

  • sie war keine einzige Minute alleine
  • sie hatte mehrere kurze Runden in der näheren Umgebung
  • sie hatte zu Hause so viel Chill-Zeit auf dem Sofa wie sie wollte
  • sie konnte allen Routinen nachgehen, die sie gewohnt ist
  • sie war bei sich zu Hause im gewohnten Umfeld
  • sie hatte einen Menschen um sich, den sie quasi schon immer kennt und der sich ausschließlich um sie gekümmert hat <3

Und so muss ich die Liste oben doch noch ein wenig erweitern. Denn das allein macht Frida nicht aus. Wenn ihre Bedürfnisse befriedigt sind, könnte sie unkomplizierter kaum sein.
Mit Frida muss man nicht stundenlang draußen spazieren gehen – erst recht nicht im Regen. Frida hört eins A auf ihre Signale und möchte mit ihren Menschen zusammenarbeiten. Sie kann eigentlich überall frei laufen, weil man sich darauf verlassen kann, dass sie zurückkommt und bei einem bleibt, wenn man sie ruft. Sie macht auf Signal Pipi und zwar nicht nur ein paar Tropfen, sondern direkt alles! Ich kann dir gar nicht sagen, wie extrem(!) hilfreich das ist. Wenn man Lust hat, kann man mit ihr spielen, ihr neue Tricks beibringen oder diverse Suchaufgaben bewältigen – sie ist mit Begeisterung dabei. Wenn man keine Lust dazu hat, ist sie trotzdem zufrieden und nutzt die freie Zeit zum ausgiebigen Entspannen. 
Und auch diese Liste könnte ich jetzt noch endlos weiterführen. Das Ergebnis lautet:

Mein Hund ist ein kompliziert unkomplizierter Hund - Frida ist komplex.

Sie ist komplex, hat viele verschiedene Seiten und ganz eigene Bedürfnisse.
Im Lehrbuch Psychologie von Springer liest man unter dem Eintrag “komplexer Mensch”:
“Menschenbild eines vielschichtigen Menschen, der vielfältige inter- und intraindividuelle Bedürfnisse hat, die jeweils von der Situation und dem Entwicklungsstand der jeweiligen Person abhängen.”

Es ist also immer eine Frage der Bedürfnisse, der Voraussetzungen, der Umweltfaktoren und des Umgangs, ob ein Hund zum komplizierten Hund wird. Lebt er in einer Umwelt, die für ihn Dauerstress bedeutet, werden seine Grundbedürfnisse nicht erfüllt oder leidet er unter einem rücksichtslosen Umgang, dann kann ein Hund sehr schnell auch für uns Menschen zum Problem werden. Dann zeigen sich viele Verhaltensweisen, die wir gar nicht gut finden:
Hunde, die dauerhaft bellen, aggressiv oder übermäßig ängstlich sind, die drinnen nicht zur Ruhe finden und draußen permanent an der Leine zerren oder im Hosenbein der Joggerin hängen. 

Wenn du bereit bist, machen wir also noch einen weiteren Perspektivwechsel.

Die Perspektive des Hundes

Ich kann zwar leider nicht in die Gedankenwelt meiner Hunde eintauchen, aber ich bin mir sicher, dass sie häufig der Meinung sind, dass sie mit einem komplizierten Menschen zusammenleben. 
Aus Fridas Sicht muss es völlig unverständlich sein, dass ich nicht die ganze Zeit mit ihr zusammen sein möchte. Warum bringe ich sie dauernd in die ungeliebte Tierarztpraxis, um sie wieder und wieder stechen und untersuchen zu lassen? Wieso rufe ich sie ständig zurück, wenn sie sich gerade genüsslich in K… wälzt oder ins nächste Mäuseuniversum eintaucht? Weshalb sind wir eigentlich immer so unendlich langsam unterwegs, wenn die Leine uns verbindet, wir könnten doch viel schneller zu Hause sein? Und wieso um alles in der Welt ist der Napf immer nur halb voll??? 

Nun ja, Frida, das wird daran liegen, dass du einen sehr komplizier… äh… komplexen Menschen hast!

Aber dieser komplexe Mensch, das kann ich dir versprechen, wird dich ab jetzt nicht mehr Monster nennen und sich noch mehr darum bemühen, das Leben für dich und ihn selbst leichter werden zu lassen. Dieser komplexe Mensch wird noch öfter überlegen, wie wir unsere ganz eigenen Bedürfnisse in Einklang bringen oder Kompromisse finden können. Denn du hast dir nicht ausgesucht wo, mit wem und wie du dein Leben verbringen wirst – das war ich. 

Aber das ist der Stoff eines neuen, eines eigenen Blogartikels.

Was würdest du sagen? Hast du einen komplizierten Hund oder hat dein Hund einen komplizierten Menschen?

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